Ich habe mich einige Wochen nicht gemeldet und das aus für mich wichtigem Grund. Ich musste erst verdauen wie das ist, mein Alltag ohne Hündin, die mehr als 14 Jahre einfach immer da war. Wer es selbst erlebt hat, weiß ganz genau was ich meine. Es ist die Traurigkeit so intensiv. Dieses triste Gefühl, dass 14 gemeinsame Rudeljahre endgültig vorbei sind und das Akzeptieren, dass eine Lebensphase damit ihr Ende gefunden hat.
Denn vor 14 Jahren, als der kleine, nimmermüde Colliewelpe meine Nerven und die Einrichtung mehr als einmal strapazierte, war so vieles noch ganz anders.
Vor 14 Jahren war ich 47, im Fulltimejob und ich verschwendete keine Gedanken an die Zeit in der Pension. Ich fühlte mich weder besonders jung noch besonders alt, im Großen und Ganzen gerade richtig. Damals wusste ich nicht, dass meine Schwester bald an Krebs erkranken würde und sie trotz aller Widrigkeiten, Schmerzen und Aufregungen gerade deswegen im Endeffekt bis zu ihrem Tod noch 7 wertvolle Jahre erleben durfte. Vor 14 Jahren war es mir unvorstellbar meine Schwester schlussendlich doch zu verlieren und meinen Lebensweg als Einzelkind weiterzugehen. Vor 14 Jahren ahnte ich nicht, dass meine Mutter langsam aber sicher zum Pflegefall mutieren würde und ich in Phasen mehr Zeit in Krankenhäusern und im Pflegewohnheim verbringen würde als im Stammpub um die Ecke. Ich konnte mir damals weder vorstellen wie mich die Wechseljahre hin- und herbeuteln würden noch dass ich je aus der schicken Altbauwohnung im Freihausviertel in die viel kleinere, elterliche Genossenschaftswohnung nach Ottakring ziehen und dort nach einer Phase der Umgewöhnung sehr gerne und rundum glücklich wohnen würde.
Vor 14 Jahren hatte ich keine Vorstellung von Rhiz-Arthrose oder Wallungen, aber auch nicht dieses eigenartige Gefühl in 9 Jahren 70 zu sein. Vor 14 Jahren dachte ich noch lange nicht daran einen Blog zu starten und mir damit einen kreativen happy place zu schaffen, der mich durchschnaufen lassen würde, wenn die Realität zu heftig werden würde. Vor 14 Jahren ahnte ich nicht meine große Liebe mit 60 zu heiraten und auch nicht, dass eine Pandemie unsere Hochzeitsreise verhindern könnte. Ich konnte mir weder vorstellen bis 60 zu arbeiten noch dass ich die Pension so genießen würde. Mir war noch nicht bewusst dass Dankbarkeit für einen gesunden, zufriedenen Alltag so wichtig werden würde und dass älter werden wirklich nichts für Feiglinge ist und trotzdem kein Grund sich davor zu fürchten.
Vor mehr als 14 Jahren also kam dieser entzückende, sehr dominante Welpe ins Haus und hatte sein ganzes Leben nichts anderes im Sinn als mich zu beschäftigen, zu begeistern, zu fordern und zu lieben. Und mich durch eine der anspruchsvollsten Lebensphasen zu begleiten und mir beizustehen: auf dem Weg ins echte erwachsen werden.
Es stimmt, die Zeit ist da loyaler Kumpel. Aber ich wollte noch mehr tun, mir ein kleines Ritual gönnen um diese Lebensphase und meine Abbey zu verabschieden.
Gelandet mit meinem Gefühlspaket bin ich bei Anima Mentis, dem Fitness-Center für die Seele hinter dem Wiener Rathaus. Kunsttherapeutin Kristin Titze hat mir in einer kreativen Stunde sehr subtil und mit viel Gespür für meine Situation geholfen meinen Verlustschmerz besser anzunehmen und loszulassen.
Am Anfang stand das Thema. Daraus entwickelte sich eine spontane Zeichnung und die wiederum machte offenkundig wie tief ich noch in dieser tristen Endlosschleife gefangen war und wie depressiv mich die letzten Wochen gemacht hatten. Es drehte sich noch immer alles um Abbey und es ist verblüffend wie sichtbar dies wurde auf nur einem Blatt Papier und einer Kritzelei aus ein paar Buntstiften. Heulend, heilend und befreiend. Eine gute Erfahrung. Und zum Abschluss gab es einen erhellenden Spaziergang mit virtueller Brille, ein Eintauchen in eine fantastische Zauberwelt mit bunten Schmetterlingen und vielen Geheimnissen, die sich erst nach und nach und mit therapeutischem Nutzen offenbarten.
Diese Stunde war im Rückblick ein wichtiger Impulsgeber für mich um das loszulassen, was nicht mehr zu halten ist und zu akzeptieren, was der Lauf des Lebens uns allen Menschen abverlangt: den Verlust von Unvorstellbarem. Gleichgültig, ob es sich um die Schwester, den körperlichen und geistigen Verfall der Mutter, den frühen Tod des Vaters, das Ende der eigenen Jugend oder die Sehnsucht nach dem wortlosen Gleichklang mit dem besten Hund von allen handelt. So vieles ist passiert in 14 Jahren Leben. Und noch viel mehr.
Was hinter mir liegt hat sich schön langsam seinen Platz gefunden. In meiner Biografie. In meinem Herzen. Was vor mir liegt, wird die Vergangenheit und all seine Erinnerungen von morgen prägen.
So ist das eben mit dem Leben und seinen Phasen.
***Die Stunde bei Anima Mentis habe ich bezahlt und meine Zeilen darüber stellen keine Werbung dar sondern einen Bericht über meine Erfahrung auf der Suche nach Impulsen um eine alte Lebensphase besser abzuschliessen.***
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